...es ist mir ein Bedürfnis und Begehr, dem edlen Volke hier kundzutun, welch absonderliches (und doch so gewöhnliches) Geschöpf sich hier in Eurer dunklen Gruft eingefunden hat.
"Aspergillus" nenn ich mich (Ihr braucht nicht zu googeln, das ist einfach nur ein profaner Schimmelpilz
), unter dem Namen Andreas (damals eher ein Sammelbegriff als eine individuelle Persönlichkeitsbenennung) wurde ich vor Äonen geboren (1964).
Bin also in der Tat das, was man schnell und skrupellos als "alten Sack" bezeichnet.
Aber auch ich hatte einst eine Jugend (damals, kurz nach dem Krieg
) und in dieser Zeit wurde ich musikalisch sozialisiert mit Lene Lovich, den Sisters of Mercy und "klassischem" Gitarren-Rock.
Und so wurde ich dann schnell zu dem, was man in der folgenden Zeit einen "Gruftie" nannte. Ich selbst sah mich zwar nicht so, aber die Umwelt packte einen damals auch schon in eine bestimmte Schublade, nur weil man mit Vorliebe schwarze Klamotten trug und gerne mal eine andere Meinung hatte in Bezug auf Kirche und Obrigkeiten aller Art.
Und ja, das Leben ist ein Geben und Nehmen - gerne nahm ich solche Vorurteile meiner Mitmenschen auf und pflegte diese dann auch selbst - etwa durch das bewusste Tragen langer Ledermäntel und teils ernst gemeinter, teils ironisch überspitzer Meinungsäußerungen. Letztlich war es mir relativ egal, was Spießer aller Art über mich dachten.
Dann kam Gothic groß in (Anti)Mode und ich trieb mich tatsächlich in Kreisen herum, die immer dunkler wurden.
Meine Kritikfähigkeit kam dann aber recht schnell wieder hervor und mit wachsender Kommerzialisierung des Gothic und der von mir immer öfter wahr genommenen rechten Einflussnahme auf diese Subkultur entfremdete ich mich langsam und anfangs fast unmerklich mehr und mehr von der Welt der Schwarzkittel.
Und irgendwann war ich dann rein äußerlich "draußen". Man wird ja auch älter und irgendwie auch "reifer". Naja, manchmal klappt dies ja auch nicht ganz?! Innerlich bin ich trotz allem stets "dunkel" geblieben. Nur öffnete ich mich nun mehr und mehr auch anderen Kulturbereichen und entdeckte, dass auch ein schwarzes Lebensgefühl kompatibel sein kann mit vielen "bunten" Aspekten der Welt.
Vor einem halben Jahr bin ich nun umgezogen in eine Wohnung auf dem Gelände eines Friedhofes meiner Heimatgemeinde. Und mit dem Mietrecht in dieser Wohnung ist auch die Pflicht verbunden, diesen morgens zu öffnen und abends wieder zu verschließen.
Merkwürdige Sache, irgendwie. Aber dieser Umstand hat in mir wieder Gefühle geweckt, die ich nun lange schon als "überwunden" geglaubt habe.
Ich weiß, dieser Klischee-Kram (Gothics und Friedhof) geht mittlerweile vielen auf die Nüsse - aber ich für mich kann unumwunden zugeben, dass ich in meinen dunklen Jahren durchaus eine Affinität zu Gottesackern hatte. Und das in einem durchaus nicht "ungesunden" oder gar abartigen Kontext.
Und jetzt, im reifen Alter von 50 (in Worten "Fünfzig"
) habe ich irgendwie schon etwas entsetzt wahr nehmen müssen, dass es von "uns" kaum noch welche da draußen gibt, die ihre schwarze Seele auch nach außen hin noch vertreten. Im Straßenbild sieht man ja kaum noch Grufties und in den wenigen verbliebenen Foren zum Thema herrscht nun auch anscheinend größtenteils Flaute.
Vielleicht liegt es auch daran, dass die "Gothics der ersten Stunde" (so wie ich) mittlerweile fast alle einen ähnlichen Werdegang hinter sich haben und ihr Schwarzsein heute nicht mehr nach außen gekehrt vor sich her tragen?
Vielleicht sind die meisten nun aber auch "erwachsen" geworden und deren Leben dreht sich heute nur noch um Bausparvertrag, Spanienurlaub und die nächste anvisierte Beförderung im Büro?
Ich weiß nicht - irgendwie fehlte mir in den letzten Jahren immer irgendwas? Und ich glaube, ich weiß nun, was das war.
Und ja, ich gebe es zu, in all den Jahren waren auch die Frauen immer ein Grund, nicht über so was nachzudenken. Der (Beziehungs-)Alltag hat einen ja schon etwas im Griff.
Und meine letzte Lebensgefährtin ("Diesmal" schien es wirklich die "große" Liebe zu sein - aber das meinen wir ja immer) hatte mit den Feinheiten der dunklen Welt nicht wirklich viel am Hut.
Und da passt man sich ja gerne mal den Gegebenheiten an.
Sodele, nach so viel Seelenstriptease jetzt noch ein paar trockene Fakten:
Frankfurt am Main
Öffentlicher Dienst
Autoverweigerer
Querdenker
Politisch interessiert
Literarisch interessiert (vom Klassiker bis zum Sachbuch)
Auf meiner Glotze läuft nur ganz selten was von den derzeitigen TV-Programmen (und wenn, dann überwiegend von Spartensendern), dafür umso öfter Spielfilme - denn als Filmfreak sehe ich mir alles an von Ingmar Bergmann bis Tarantino, von Lubitsch bis Luc Besson, von Eisenstein bis Wes Craven. Und ja, ich steh auch auf die unsäglichen Machwerke, die mit Namen und Begriffen verbunden sind wie: Asylum, Boll oder Larry Ferguson.
Mein "Film-Fetisch" geht sogar so weit, dass ich selbst eigene Drehbücher schreibe. Zwar keines, das bis jetzt umgesetzt worden ist, aber ich hab mich bisher auch noch nicht um eine Realisierung bemüht. Für mich ist das eher eine Art "schöpferischer" Ausgleich zum Alltag.
Zudem befasse ich mich (wenn es Möglichkeiten dazu gibt) mit sogenannten "paranormalen Phänomenen" - Versuchte einige Zeit lang, innerhalb der "Geisterjäger"-Szene ein vernünftig agierendes Team zusammen zu stellen, was ich dann aber bald entnervt aufgegeben habe. "Wissenschaftlich orientierte" Ansätze sind dort nicht sehr populär, wo es nur um Nervenkitzel und Mediengeilheit geht.
Was bin ich noch?
Dosenöffner für Katzen, dickköpfig, bescheiden, engagiert (wenn es mir angebracht erscheint), jähzornig während des Zusammenbaus von schwedischen Baukastenmöbeln (aber auch nur dann), oft etwas chaotisch, meistens etwas maulfaul und im Alltag fehlt mir manchmal auch der Blick für´s Wesentliche.
Miserabler Koch, guter Zuhörer, schlechter Redner, öfter mal kindisch bis zur Schmerzgrenze.
Und fanatischer Anhänger des geschriebenen Wortes.
So Freunde, ich hoffe, das reicht bis hierher erst Mal als Vorstellung?
Wenn noch Fragen offen sind: dann bitte fragen!
Was mir hier bei Euch gefällt: Im Gegensatz zu den wenigen anderen Projekten, die man im Net noch findet zum Thema Gothic, zieht Ihr das hier fast schon in journalistischer Qualität durch und das adelt dieses Projekt hier regelrecht!
Hier fühl ich mich wohl. Hier häng ich gerne meinen Hut hin.
Liebe Grüße, A.